ERzählt 1: nachtzimmer

Veröffentlicht am 17.12.2020

nacht

Er betrachtete die Decke seines Zimmers. Das schüchterne Licht, das durch sein Fenster schlüpfte und durch die Gardine davor gebrochen wurde, warf seinen Schatten auf die Decke und offenbarte seine Geheimnisse. Geschichten von weit entfernt, von anderen Zeiten.

Es war 00:28 Uhr.

Er sollte eigentlich schon schlafen, aber irgendetwas hielt ihn wach. Sein Körper, ausgebreitet auf dem großen Bett, reglos. Als würde dieser nur darauf warten, dass der Verstand ihm in die Welt des Träumens folgen würde. Doch der Verstand weigerte sich. Er hielt sich fest an den sich verändernden Mustern, die über ihm schwebten, wie die Wellen eines Ozeans einer fremden Welt.
Sein Fuß juckte. Er tat nichts. Vielleicht würde es einfach aufhören, wenn er lang genug warten würde. Das Jucken wurde stärker. Noch konnte er es aushalten, aber langsam war seine ganze Aufmerksamkeit diesem Ziehen und Stechen des Juckens gewidmet, welches sich aus unerfindlichem Grund seines Fußes bemächtigt hatte.
“Fuck”.
Sein großer Zeh wanderte zu seinem Gegenstück und kratzte sich an der betroffenen Stelle. Und der Schmerz verebbte. Langsam wanderte sein Fuß wieder zurück.
Er holte tief Luft, hielt sie kurz und stoß sie dann aus seiner Nase heraus. Ein tiefer Seufzer.

Müde des Müdeseins drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Das Schauspiel ging weiter, doch hatte er die Lust daran verloren. Er hoffte auf den Morgen.

morgen

Sein Handy schrie schrill nach seiner Aufmerksamkeit. Unermüdlich. Nicht seiner Existenz bewusst, vielleicht war es deswegen nie seiner Aufgaben müde. Er blieb liegen, öffnete langsam die Augen und erkannte sein eigenes Zimmer. Sein Blick wanderte vom Kleiderschrank weiter zu dem Tisch auf dem sein Handy lag. Er schaute es einen Moment an. Das kalte Design, nichts als Funktion. Der Bildschirm erwacht aus seinem Schlaf, um ihm seinen zu rauben.

09:30 Uhr stand dort blinkend.

Aber er hatte es ihm so befohlen. Er glitt unter seiner Bettdecke hervor und machte einen Schritt Richtung Tisch. Seine Decke klammerte sich noch an seinen Körper als würde sie ihn vermissen und ihn nicht gehen lassen wollen. Er erlöste das Handy aus seinem Dienst. Und glitt zurück unter die Decke, die sich wohlig an ihn schmiegte. Er zog sie höher und blickte auf die Decke über ihm. Die Wellen von gestern Abend waren verschwunden. Es war wohl wirklich alles vergänglich. Er drehte sich auf den Bauch und neigte den Kopf zur Seite. So konnte er sich einreden, dass der Druck auf seiner Brust von seiner Schlafposition kam.

Immer noch benebelt, döste er langsam wieder zurück in das schöne Koma des Schlafens. Hier musste er nichts tun, hier war er noch da, aber verschwunden. Nicht, dass sich jemand wirklich für ihn interessieren würde.

nachmittag

Er konnte sich des Tages nicht mehr entziehen. Der Körper war nun müde des Schlafens und zwang ihn aufzuwachen. Die Sonne war bereits schon tiefer gesunken. Das Licht in seinem Zimmer verwandelt zu einem goldenen Umhang, der alles erträglicher erschienen ließ. Er lag noch immer auf dem Bauch. Sein Blick haftete an dem Fußboden. So lag er einige Zeit. Den Fugen zwischen den Fliesen folgend, jedes einzelne Staubkorn betrachtend. Es war der gleiche Anblick jeden Tag. Er kannte das Muster bereits, doch konnte er sich nie erinnern, wenn er sie nicht sah. Ihm wurde schlecht. Zu wenig gegessen. Jetzt konnte er sich nicht mehr dem Ruf wehren. Auch wenn er es nicht wollte, musste er essen. Ein tiefer melancholischer Seufzer. Er rollte sich vorsichtig aus dem Bett bis sein Körper die kalten Fliesen berührte. Dort lag er einen Moment. Die Kühle genießen, die Härte des Bodens ward ihm irgendwie bequem geworden. Sein Magen knurrte. Es half nichts. Er schaute auf seinen Schreibtisch. Auf die Uhr, die auch wie das Handy unermüdlich seinen Dienst tat.

16:34 Uhr

Immerhin hatte er schon den Großteil des Tages geschafft. Er erhob sich und bewegte sich träge zum Bad. Kein Morgen ohne den Blick in den Spiegel. Es war immer eine Überraschung, wen er dort antreffen würde.