ERzählt 9: hilfe

Veröffentlicht am 14.06.2021

Vogelgezwitscher weckte ihn. Die ersten Sonnenstrahlen hatten die fliegenden Bewohner der Erde geweckt, die jetzt ihren Teil taten, dass jeder den nächsten Tag auch ja nicht verschlafe.
Er blinzelte verwirrt beim Anblick auf den freien Himmel und die Baumkronen über ihm.
Dann tat ihm alles weh. Und mit dem Schmerz kam auch die Erinnerung an den Ursprung.
Sein Gesicht pochte, seine Seite und Rücken stachen und sein Hals brannte.
Er schloss die Augen und versuchte sich auf die Seite zu drehen. Aber sein Körper wurde vom Schmerz durchbohrt. Er konnte nichts weiter tun als den Versuch mit eine schmerzerfüllten Stöhnen zu beenden.
Erst jetzt merkte er, dass er zugedeckt war. Aber es konnte noch nicht lange sein, denn die Kälte war noch tief in seinen Gliedern und weigerte sich, ihren Wohnort aufzugeben. Aber wer konnte es gewesen sein?
“Wie geht’s dir ?”, hörte er eine sanfte Stimme auf Englisch von hinter ihm sagen.
Er brachte nur ein Stöhnen zustande. Sein Schädel begann zu dröhnen.
“Hmm, das dachte ich mir”.
Über ihm erschien das Gesicht einer Frau. Ihre Haare waren kastanienbraun, zu einem Dutt nach hinten gebunden. Einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Er schätzte ihr Alter auf etwas älter als sein eigenes, aber Alter zu bestimmen, war nicht gerade eine seiner Stärken.
“Hey.”, sagte sie mit einem Lächeln.
“Ich bin eben vorbeigekommen und hab dich hier liegen sehen. Ich dachte schon, du wärst tot. Zum Glück hast du noch geatmet, aber du warst eiskalt. Deswegen habe ich dich eingedeckt. Ich habe schon einen Krankenwagen gerufen, der sollte bald da sein.”. Sie blickte zum Tor in der Nähe.
“Das ist echt ’ne fiese Ecke hier, hast nochmal Glück gehabt. Sogar die Locals meiden diesen Park.”
Sie schwieg einen Moment.
“Englisch?”, brachte er nur hervor und selbst dieses Wort tat ihm weh.
“Ah, sorry, ja. Ich hab deine Taschen abgesucht und dein Portemonnaie gefunden.”
Auf seinen besorgten Blick beschwichtigte sie ihn:
“Nur um zu schauen, ob da eine Nummer für den Notfall drinsteht”, sagte sie mit einem Grinsen. “Hab’s dir wieder in deine Tasche gesteckt.”
Seine Sorge schrumpfte zu einem kleinen kaum wahrnehmbaren Punkt, doch er traute ihr noch nicht. Warum sollte er auch? Er hatte sie erst vor ein paar Augenblicken kennengelernt. Aber sie schien sehr nett. Und er war ihr sehr dankbar für die Decke und Hilfe.
Man hörte lauter werdende Sirenen aus der Richtung des Tors.
Sie richtete sich auf und verschwand so aus seinem Blickfeld.
“Sehr gut. Halt noch ein bisschen durch, sie sind gleich da.”
Er fühlte sich erleichtert, doch der Schmerz wurde bald unerträglich. Sein Körper zwang ihn wieder zum Schlaf. Er wollte, dass er heilte. Die Baumwipfel bewegten sich leicht im Wind und dann wurde es wieder schwarz.

Er wachte abermals auf und statt den warmen Sonnenstrahlen erwartete ihn kaltes Neonlicht. Er lag nun in einem Bett in einem Krankenhaus. Der Schmerz war nur noch ein dumpfes leises Gefühl. Man hatte ihm wohl Schmerzmittel gegeben. Aber dank ihnen konnte er leicht zu den Seiten blicken.
Er war allein.

Hatte er sich das Mädchen nur eingebildet?
Aber wie hatte er es dann ins Krankenhaus geschafft?
Und wem gehörte dann diese vollbepackte Rucksack neben seinem Bett?
Seiner sah doch ganz anders aus…
War er high vom Schmerzmittel oder war das alles ein Traum?

Er war sehr verwirrt.

Dann erschien sie in Begleitung einer Ärztin im Türrahmen.
“Oh, sie sind wach”, sagte die Ärztin auf Englisch.
“Wie fühlen sie sich?”
“Okay”, konnte er nur rausdrücken.
“Das ist gut”, sie lächelte das Ärztelächeln. Um Mut und Hoffnung aufzubauen.
“Sie haben Glück, dass ihre Freundin alles geklärt hat für sie. Das hätte sehr bitter ausgehen können.”
“Danke”, konnte er leider nur sagen und schaute seine Retterin an.
Sie erwiderte nichts, nahm den Dank aber mit einem Nicken und einem Lidschlag an.

Er wurde über seine Verletzungen von der Ärztin unterrichtet. Er würde wohl einige Tage im Krankenhaus bleiben müssen. Eine Wunde an seinem Kopf hatte genäht werden müssen. Und eine seiner Rippen war leicht geprellt. Fortunas Schein hatte ihn vor Schlimmerem bewahrt.
Vor allem war er froh, dass er sein Portemonnaie noch hatte. Viel Geld war nicht drin, aber all seine Karten, sodass das Bürokratische kein Problem werden würde.

Nachdem die Ärztin gegangen war, wandte sich seine Helferin an ihn.
“Da du jetzt in guten Händen bist, würde ich mich auch auf den Weg machen.”
Sie schulterte ihren Backpacker-Rucksack.
“Vielen Dank nochmal”, brachte er schwer hervor und hoffte, sein Blick würde den Mangel an Worten wettmachen.
“Kein Problem. Menschen in Not muss man doch helfen.”, sagte sie mit einem ehrlichen Lächeln.
“Ich wünsch dir eine gute Besserung. Mach’s gut.”
Sie winkte kurz und brach dann durch den Türrahmen wieder in die Außenwelt auf.
Er hingegen wurde durch die Schmerzmittel schläfrig und döste wieder ein. Sein letzter Blick war wieder ein Tor in Nähe, doch dieses Mal war eine Silhouette zu sehen, die mutig voranschritt.